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"LÜCKE-KINDER": ZU ALT FÜR DEN SPIELPLATZ UND HORT, ZU JUNG FÜR JUGENDTREFF UND PARTY-CLUB

Ulmer Forschergruppe untersucht Lebenswelt von 10- bis 14Jährigen

Veröffentlicht am 31.03.2014
Eine qualitative Studie mit dem Titel "Die soziale Welt der 'Lücke'-Kinder – Analyse einer vergessenen Gruppe" führt eine Ulmer Forschergruppe mit Förderung der Stiftung Ravensburger Verlag durch. Das Projekt unter Leitung von Professor Dr. Jörg M. Fegert und Professorin Dr. Ute Ziegenhain (Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie in Ulm) ist auf zwei Jahre angelegt. Die Ergebnisse der Lebensfeldexpertise mit repräsentativen Umfragen in Familie, Schule und Freizeit der Kinder und Jugendlichen sollen Handlungsfelder für Eltern und Jugendhilfe aufzeigen.


Wie kann Adoleszenz gelingen?

Wohin, wenn man zu alt ist für den Kinderspielplatz und zu jung für den Jugendtreff im Wohnviertel und für den Club, in dem 16jährige Partys feiern? Wenn man kein Kind mehr, aber noch kein Jugendlicher ist?
Die Altersgruppe der 10- bis 14jährigen wird in Forschung und Öffentlichkeit als "späte Kindheit" oder "Vorpubertät" benannt und wurde wissenschaftlich bislang kaum beachtet. "Es gibt kaum empirisch abgesicherte Aussagen zu den entwicklungspsychologischen und soziokulturellen Besonderheiten dieser Altersgruppe", berichtet Professor Jörg M. Fegert. "Dabei werden gerade in dieser Phase des Heranwachsens entscheidende Weichen für eine gelingende oder weniger glückende Adoleszenz gestellt."

Gefahren der späten Kindheit

Einige Schwierigkeiten, denen heutige "Lücke-Kinder" ausgesetzt sind und durch die sie überfordert sein können:
  • die Suche nach eigener Selbstständigkeit, Autonomie und Identität;
  • Anerkennung und Herausforderungen der "Peer-Gruppe" Gleichaltriger;
  • Risiken durch Drogen- oder Alkoholmissbrauch;
  • Schulwechsel nach der Grundschule;
  • hohe Leistungsanforderungen;
  • Nutzung der vernetzten Medienwelt mit der Gefahr von Cybermobbing, Child Grooming oder versehentlichen Vertragsabschlüssen.

Kinder aus psychosozial belasteten Familien sind in dieser Aufzählung nicht einmal berücksichtigt. Sie sind oft zusätzlich gefährdet durch ökonomische Probleme der Eltern, durch Wohnsituation in Stadtvierteln mit eingeschränkter Infrastruktur.

Systematische Angebote in Ganztags- und Gemeinschaftsschulen

"Ich hoffe und wünsche, dass künftig immer mehr Ganztagsschulen und Gemeinschaftsschulen mit systematischen Angeboten entstehen, um die klassischen 'Schlüsselkinder' und all die anderen 'Lücke-Kinder' aufzufangen", erklärt Professorin Dr. Ute Ziegenhain. "Es gibt schon gute Beispiele, aber oft noch lässt die Qualität der pädagogischen Förderung zu wünschen übrig, wenn es nur um Aufbewahrung der Kinder geht."

Vorschläge für die Bildungspolitik erwartet

Von der Forschungsstudie erwartet sich die Stiftung Ravensburger Verlag deshalb auch Vorschläge für eine verbesserte soziale, bildungsbezogene und freizeitpädagogische Förderung von "Lücke-Kindern". Dazu sagt Stiftungsvorsitzende Dorothee Hess-Maier: "Gerade die jungen Kinder in der Phase des Übergangs zum Jugendalter benötigen vielseitig begleitende Unterstützung, um eine positive Identität zu entwickeln."

Soziale Lebenswirklichkeit ermitteln

Das Forscherteam wird die Erlebensweise, die Bedürfnisse, die Probleme der 10- bis 14jährigen untersuchen und anschließend den kommunalen und gesellschaftlichen Handlungsbedarf beschreiben. Die soziale Lebenswirklichkeit dieser Altersgruppe wird anhand von Interviews mit Kindern, Eltern, Lehrern und anderen Verantwortlichen sowie Praktikern aus Jugendhilfe und Erziehung herausgearbeitet.

Das Forschungsteam

Den qualitativen Interviewleitfaden entwickelte das Ulmer Team. Bei der Auswertung kooperieren die Forscher mit der Sigmund-Freud-Universität in Wien. Ein wissenschaftlicher Beirat, in dem auch Praktiker beteiligt sind, wird die Arbeit begleiten.

Teamleiter Professor Dr. Jörg M. Fegert ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie und stellvertretender Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats für Familienfragen im Bundesfamilienministerium. Mit dem Bundesmodellprojekt "Guter Start ins Kinderleben" trug er wesentlich zur Entwicklung und zur Regelung lokaler Netzwerkstrukturen in den Frühen Hilfen im Landeskinderschutzgesetz Rheinland-Pfalz sowie im Bundeskinderschutzgesetz bei. Professorin Dr. Ute Ziegenhain beriet in der vergangenen Legislaturperiode im Bundesjugendkuratorium die Bundesregierung.
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