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WANDERER ZWISCHEN LEBENSWELTEN AUF DER SUCHE NACH IDENTITÄT
Siegener Wissenschaftler erarbeiten Pilotstudie für die Jugendarbeit
Veröffentlicht am 21.03.2017
Wie nutzen Minderjährige und junge Erwachsene, die aus Krisengebieten nach Deutschland geflüchtet sind, die Angebote der Jugendarbeit? Mit Förderung der Stiftung Ravensburger Verlag geht ein Forschungsteam aus Pädagogen der Universität Siegen dieser und weiteren Fragen im Umfeld der Flüchtlingsthematik nach. Die systematische Untersuchung der Lebenswelt junger Geflüchteter* findet unter Leitung des Erziehungswissenschaftlers Professor Dr. Thomas Coelen statt, der auf das Fachgebiet Jugendbildung, Sozialisations- und Lebenslaufforschung spezialisiert ist. Die Ergebnisse der auf zwei Jahre angelegten qualitativen Pilotstudie mit Umfragen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sollen dem Forschungsdialog dienen und Handlungsorientierung für die praktische Jugendarbeit bieten.
Nach Krieg, Krise und Flucht in neuen Lebensalltag schlüpfen
Viele hunderttausend Menschen flüchteten in den vergangenen Jahren aus Syrien und anderen Kriegs- und Krisengebieten nach Deutschland, darunter Familien mit Kindern und Jugendlichen. Die Lebensrealität geflüchteter und zugewanderter Kinder, Jugendlicher und junger Erwachsener ist häufig von Ungewissheit, Perspektivlosigkeit, Isolation und schwankender kultureller Identität geprägt. Mit der Zunahme von Flucht und Zuwanderung ist auch die Jugendarbeit herausgefordert, den Jugendlichen und Herangewachsenen zu helfen, in einen neuen Alltag zu schlüpfen.
Hälfte der Asylanträge im Januar 2017 für 0- bis 25jährige
Aktuelle Zahlen belegen diesen Bedarf deutlich: 25 Prozent der über 16.000 Erst-Asylanträge, die im Januar 2017 in Deutschland gestellt wurden, kamen von jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren, eine Altersgruppe, die in der Forschung oft noch zu den Heranwachsenden gezählt wird. 33 Prozent der Anträge wurden für Minderjährige unter 18 Jahren gestellt. (Quelle: Statistisches Bundesamt 2017) Die meisten dieser Kinder und Jugendlichen werden lange Zeit, viele ihr Leben lang in Deutschland leben. Ihre sprachliche, schulische und berufliche Vorbereitung auf ein integriertes Leben in der fremden Umgebung deckt nur eine Seite ihrer Integration ab.
Spiel und Sport fördert Integration und soziale Kompetenz
"Der Freizeitbereich, in dem die Jugendlichen Kontakte zu Gleichaltrigen knüpfen können, hat eine integrative und identitätsbildende Bedeutung, die gar nicht hoch genug bewertet werden kann", erklärte Stiftungs-Vorstand Johannes Hauenstein das Engagement der Stiftung Ravensburger Verlag. "Außerdem gewöhnen sich die jungen Migrantinnen und Migranten nach den Ausnahmesituationen ihrer Fluchtreise wieder an geregelte Abläufe, erfahren im günstigen Fall Aufmerksamkeit, Anerkennung und Zuversicht."
Forschungslücke: Geflüchtete Jugendliche und junge Erwachsene
Die Siegener Wissenschaftler betrachten die Gruppe der 16- bis 22jährigen. "Im Zusammenhang der Jugendarbeit gibt es über die Lebenswelten speziell minderjähriger und junger Erwachsener unter den Geflüchteten keine systematischen Forschungserkenntnisse", erläutert Professor Dr. Thomas Coelen das Erkenntnisinteresse der Siegener Studie. Ebenso wenig habe sich die Wissenschaft bisher mit Fragen der interkulturellen Identität dieser Altersgruppe beschäftigt. In der Jugendarbeit liege eine Aufgabe und Chance für Sozialpädagogen und Erzieher/innen, junge Geflüchtete sozial und bildungsbezogen zu fördern. Dazu bedürfe es zunächst einer explorativen Lebensweltanalyse, exemplarisch anhand von zwei Bundesländern – bislang eine Forschungslücke.
Methoden: Umfragen, Interviews, Expertengespräche
Mit Umfragen, Expertengesprächen und Peer-to-Peer-Interviews konzentrieren sich die Wissenschaftler auf repräsentativ ausgewählte Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Dabei werden auch Vergleiche zwischen Stadt und Land gezogen. Politische Institutionen und Träger von Schulsozial- und Jugendarbeit beteiligen sich inhaltlich an dem Projekt, das die Stiftung Ravensburger Verlag allein finanziert. Unter "Offener" Kinder- und Jugendarbeit versteht die Praxis Einrichtungen, Projekte und Veranstaltungen, die sich von schulischer Betreuung und verbandlichen Formen der Jugendarbeit unterscheiden. An solchen Freizeitangeboten können Kinder und Jugendliche kostenfrei, ohne Mitgliedschaft oder sonstige Zugangsvoraussetzungen teilnehmen.
Beispiele qualitativ bzw. quantitativ orientierter Fragestellungen:
Suchen junge Geflüchtete spezielle Formate (Flüchtlingscafé, sportliche Angebote, schulische Unterstützungsangebote) oder allgemeine Freizeitangebote? Was denken die Jugendlichen über solche Angebote, die sie oftmals in ihren Herkunftsländern nicht kannten? Welche Altersstruktur haben die geflüchteten Jugendlichen? Wie unterscheiden sich die Angebote hinsichtlich der Träger? Welche spezifischen Kooperationsangebote zwischen Schule und Jugendarbeit gibt es? Welche Herausforderungen werden von den Pädagogen genannt?
Erste repräsentative Ergebnisse der auf zwei Jahre angelegten qualitativen und quantitativen Untersuchungen werden bis zum Jahresende 2017 erwartet. Sie sollen dem Forschungsdialog dienen und Handlungsorientierung für die praktische Jugendarbeit bieten, ein für die Förderentscheidung der Stiftung Ravensburger Verlag wesentliches Kriterium.
*Der Begriff "Geflüchtete" wird in diesem Forschungsprojekt bewusst verwendet, um sich vom oft negativ besetzten "Flüchtling" abzugrenzen, auch im Sinne einer gendergerechten Formulierung.
Erste repräsentative Ergebnisse der auf zwei Jahre angelegten qualitativen und quantitativen Untersuchungen werden bis zum Jahresende 2017 erwartet. Sie sollen dem Forschungsdialog dienen und Handlungsorientierung für die praktische Jugendarbeit bieten, ein für die Förderentscheidung der Stiftung Ravensburger Verlag wesentliches Kriterium.
*Der Begriff "Geflüchtete" wird in diesem Forschungsprojekt bewusst verwendet, um sich vom oft negativ besetzten "Flüchtling" abzugrenzen, auch im Sinne einer gendergerechten Formulierung.
Wie verbringen junge Geflüchtete ihre freie Zeit in Deutschland?
Erfahren Sie Näheres in den Ausführungen von Prof. Dr. Thomas Coelen (Universität Siegen) 10.03.2017