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BILINGUALE KINDERBETREUUNG

Spielend Englisch lernen in der Kita – Stiftung förderte Begleitforschung zu Tübinger Modellprojekt

Kinder aus Migrationsfamilien können von deutsch-englischen bilingualen Programmen in Kindergärten genauso viel profitieren wie Kinder aus deutschsprachigen Familien. Dies trifft sowohl auf die Entwicklung ihrer Englisch- wie auch ihrer Deutschkenntnisse zu. Das sind die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung eines bilingualen Modellprojektes im Tübinger Kinderhaus Französische Allee, das die Stiftung Ravensburger Verlag mit 15.000 € förderte, um genauere Aussagen über die Wirksamkeit von bilingualen Programmen zu erhalten.

Mindestens drei Stunden täglich im Sprachbad

Unter der Leitung von Professor Dr. Thorsten Piske (Angewandte Sprachwissenschaft und Didaktik des Englischunterrichts, Pädagogische Hochschule Schwäbisch-Gmünd) beobachtete ein Forschungsteam drei Jahre lang, wie sich die Fremdsprachenkenntnisse der Tübinger Kinder entwickeln, die in ihrem Kita-Alltag nicht nur in deutscher Sprache, sondern gleichzeitig mindestens drei Stunden täglich von englischen Muttersprachlerinnen in englischer Sprache betreut wurden. Das bilinguale Verfahren der "Immersion", auf das man sich oft auch mit dem Begriff des "Sprachbads" bezieht, besteht darin, mit den Kindern den Alltag ganz selbstverständlich in der Fremdsprache zu gestalten.
Die Initiative für dieses aufwändige Konzept des Tübinger Kinderhauses war einer Elterninitiative unter Leitung von Dr. André Zimmermann (Förderverein) zu verdanken.

Frühes Fremdsprachenlernen im Kindergarten

Frühe Immersion gilt als der weltweit erfolgreichste Ansatz zur Vermittlung von Fremdsprachen im frühen Kindesalter. In Deutschland lagen allerdings bislang kaum detaillierte Dokumentationen zur sprachlichen Entwicklung von Kindern vor, die an deutschen Kitas durchgängig zweisprachig betreut werden oder an Grundschulen Immersionsunterricht bekommen. Das Tübinger Modellprojekt zur frühen Mehrsprachigkeit erzielte dazu aufschlussreiche Erkenntnisse.

Lernfortschritte genau beobachtet

Die Wissenschaftler untersuchten in mehreren Etappen die Lernfortschritte der Kinder und betrachteten die Ergebnisse nach Altersgruppen, Geschlecht und sprachlichem Hintergrund. Außerdem bezogen sie eine Vergleichsgruppe von Kindern ein, die im Evangelischen Johanneskindergarten in Schwäbisch Gmünd-Herlikofen ebenfalls täglich Kontakt zur englischen Sprache hatten, jedoch kürzer (nur ein bis zwei Stunden) und nicht von einer muttersprachlichen Betreuerin begleitet. Das Tübinger Forschungsteam bewertet die Ergebnisse des Projekts als sehr positiv. Professor Piske fasst diese folgendermaßen zusammen:

  • Die kürzer englischsprachig betreuten Kinder in Herlikofen erwarben gute, aber doch weniger Wortschatzkenntnisse als die Tübinger Kinder, ihr grammatisches Verständnis blieb noch deutlicher hinter dem der Tübinger Kinder zurück.
  • Kaum Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen wurden in den verschiedenen Untersuchungen festgestellt. Jungen und Mädchen profitierten also offenbar gleichermaßen von dem bilingualen Programm. Professor Piske: "Wie die Ergebnisse anderer Studien zu Kindern dieser Altersgruppe erhielten auch wir keine Bestätigung für die häufig aufgestellte Behauptung, dass Mädchen Fremdsprachen generell besser erlernen als Jungen."
  • Ältere Vorschulkinder erzielten bei gleicher Kontaktzeit zum Englischen nur anfangs bessere Ergebnisse zum Grammatikverständnis als jüngere Kinder. "Diese Unterschiede waren in der dritten Erhebungsphase in den meisten Analysen nicht mehr zu erkennen. Im Wortschatzverständnis zeigten die jüngeren Kinder von Anfang an ähnliche Ergebnisse wie die älteren Kinder", sagt Professor Piske.
  • Zwischen den Kindern mit und ohne Migrationshintergrund gab es weder in Tübingen noch in Herlikofen signifikante Unterschiede in den Lernfortschritten.
  • Deutschkenntnisse: Bilinguale Programme an Kitas wären kaum von Nutzen, wenn sie bei den betreuten Kindern zwar zu einem Zuwachs der fremdsprachlichen Kenntnisse, gleichzeitig aber zu Defiziten in der Entwicklung der deutschen Sprachfähigkeiten führen könnten. Mit Hilfe zweier wissenschaftlich etablierter Sprachtest-Verfahren wurde dieser Aspekt gründlich recherchiert, und zwar bei Kindern mit und ohne Migrationshintergrund.
  • Fazit zum Sprachstand Deutsch: Professor Piske bilanziert diesen Aspekt wie folgt: "Es kann die vorläufige Schlussfolgerung gezogen werden, dass sich der frühe intensive Kontakt zum Englischen im Rahmen einer deutsch-englisch bilingualen Betreuung bei Kindergartenkindern nicht automatisch negativ auf den Sprachstand im Deutschen auswirkt, da die von den bilingual betreuten Kindern erzielten Testergebnisse sogar leicht über den für die Tests ermittelten Altersnormen lagen." Bevor eindeutige Schlussfolgerungen gezogen werden könnten, müssten allerdings erheblich mehr Daten erhoben werden, vor allem von Kindern mit Migrationshintergrund.

Tübinger Grundschule arbeitet jetzt auch bilingual

In Tübingen gibt es seit zwei Jahren – nicht ganz zufällig in der Nachbarschaft des Kinderhauses Französische Allee – einen deutsch-englischen bilingualen Zug (Grundschule an der Hügelstraße), der im Rahmen eines vom Kultusministerium genehmigten Schulversuchs vor zwei Jahren eingerichtet wurde. Eine ständig wachsende Zahl ehemaliger Kinderhaus-Kinder besucht diese Schule, sodass ihre bilinguale Förderung kontinuierlich fortgesetzt wird. Nach Aussagen von Eltern, Lehrern und Schulleitung trug der neue bilinguale Zug erheblich zur Profilbildung der Schule bei. Im Rahmen eines Schulversuchs gibt es auch in zwei Stuttgarter Grundschulen (Falkertschule und Schwabschule) bilingualen Unterricht.
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